Vor einigen Jahren war ich auf der Suche nach einem besonderen Geschenk für meinen Vater. Es sollte etwas sein, bei dem er ohne was zu tun entspannen kann (er hat Parkinson). Im Internet fand ich die Ecosphere Kugeln und dachte mir, die wären genau das Richtige.
Also bestellte ich eine der Kugeln.
Nach ein paar Tagen wurde die Kugel geliefert und ich stellte sie auf meinen Schreibtisch.
Die kleinen Dinger wuselten aufgeregt herum. Zum ersten Mal sah ich die Abmessungen der Ecosphere und empfand sie als viel zu klein. Ich habe mich in die Garnelen gleich verguckt. Schnell stand fest, dass ich die Rubras nicht verschenken würde.
Ein paar Tage später las ich im allwissenden Internet, dass die Rubras etwas mehr Algenwachstum in ihrem Gefängnis hätten, wenn die Kugel am Fenster stünde.
Das wollte ich probieren und griff nach der Kugel, um sie umzusetzen.
Plötzlich entglitt mir die Kugel, ich griff schnell nach ihr, doch sie rutschte mir erneut aus der Hand. Sie kullerte über den Schreibtisch und fiel auf den Boden.
Die Kugel zerplatzte.
Das Wasser samt Rubras verteilte sich im Zimmer. Panisch rannte ich in die Küche, um irgendwas zu organisieren, mit dem ich die Tierchen retten konnte. Marion war durch mein Rufen auch alarmiert und kam mir zu Hilfe. Wir füllten schnell ein Glas mit Leitungswasser und setzten die zwei Garnelen, die wir noch finden konnten, ins Wasser. Traurig sahen wir ins Glas, weil wir wussten, dass zwei der vier Rubras nicht überlebt hatten.
Ich wollte mich vergewissern, dass ich wirklich überall gesucht hatte und ging mit einem Haufen Papiertüchern in mein Büro.
Nichts zu sehen... keine kleinen roten Dinger mehr.
Also begann ich, den Boden zu trocknen. Nachdem ich fertig war, warf ich das vollgesogene Papier in den Müll. Die beiden anderen waren wohl tot.
Zwei Minuten später wollte ich trotzdem nochmal nachsehen. Ich suchte erneut das Büro ab und fiselte sogar die vollgesogenen Papiertücher aus dem Müll auseinander.
Plötzlich sah ich in dem nassen Papier eine kleine Rubra.
Ich starrte sie an.
Sie bewegte sich.
Ich rief voller Freude nach Marion, während ich den kleinen Kämpfer ins Glas zu seinen Freunden gleiten lies.
Es war abend, aber nicht zu spät.
Der Baumarkt hatte noch offen.
Dort hatte ich am Vortag einen 20 Liter NanoCube gesehen, der mir gefiel.
Meinen Geldbeutel greifend rannte ich zum Auto und brauste zum Baumarkt.
Kaum eine halbe Stunde später parkte ich wieder vor dem Haus. Schnell den Cube ausgepackt und aufgestellt. Für umständliches Einlaufen war keine Zeit. Ich gab den Kies rein, schüttete Wasser dazu, steckte die Heizung ein und startete den garnelensicheren Filter. Das Wasser war schrecklich trüb und ich war mir nicht sicher, ob ich die kleinen Helden schon einsetzen konnte. Marion sagte, es wäre bei den dreien eigentlich egal, denn wenn sie den Crash durchgestanden hätten, dann würden sie auch trübes Wasser überstehen. Ausserdem waren im Becken mehr Verstecke drin, denn ich kaufte im Baumarkt gleich ein paar Steine und eine Kunstpflanze dazu.
Also rein mit ihnen.
Die armen Rubras versteckten sich sofort und waren verschwunden. Ich suchte das Internet nach Tips zur Haltung der Rubras ab.
Sie brauchen Brackwasser. Mist, kein Salz da. Der Baumarkt hatte bereits geschlossen. Nach weiteren Suchergebnissen las ich, dass die Rubras auch eine Zeit lang in Süsswasser überleben können. Das gab mir Hoffnung. Wir mussten ins Bett, die Arbeit am nächsten Morgen wollte nicht warten. Hoffentlich schafften sie es bis zum nächsten Tag.
Unser erster Blick nach dem Aufstehen galt den roten Kämpfern.
Das Wasser im Becken war mittlerweile klar und die kleinen Teufelskerle schwammen aufgeregt hin und her. Es schien fast, als würden sie ihr neues Zuhause erkunden.
Ich fuhr in den Baumarkt, um das Salz zu kaufen. Leider war die Fischabteilung des Baumarkts nicht auf Salzwasser vorbereitet, es war keins da. Mangels Kenntnis der örtlichen Aquaristikläden beschloss ich, das Salz im Internet zu bestellen. Lieferung am kommenden Montag, bedeutete mir die Bestellbestätigung. Also durften die Kleinen das Wochenende im Süsswasser verbringen. Marion und ich mussten übers Wochenende weg, die Arbeit rief. Ein letztes Mal schaute ich den Rubras beim Schwimmen zu, dann ging es mit dem Auto nach Frankreich.
Jeden Tag musste ich an die Rubras denken, Marion ging es genau so. Wir berieten uns in den freien Minuten, wie wir das Becken weiter einrichten und ob wir noch welche dazu kaufen wollten oder nicht. Wir beschlossen, den drei Rubras noch einen Schwung Kollegen zu besorgen, das vereinbarten wir auf dem Heimweg.
Kaum daheim angekommen, eilten wir ans Becken. Das Licht war bereits aus und wir konnten nicht mehr viel sehen. Ich strengte mich an, doch keiner der Drei wollte sich zeigen. Aber ich wollte sie sehen, unbedingt, also knipste ich das Aquariumslicht an.
Wir sahen... keine Rubras.
Marion ging um das Becken, ich folgte ihr... nichts.
Wir wiederholten den Rundgang, ohne Erfolg.
Schließlich meinte Marion, eine der Rubras im Filter gesehen zu haben. Der war als ganelensicher angepriesen. Ich nahm den Filter aus dem NanoCube und schraubte ihn auseinander. Ich fand drei tote Rubras.
Der Filter hatte sie angesogen und wohl zerquetscht.
Mir brach es das Herz. Marion sah mich mit Tränen in den Augen an und ging ins Wohnzimmer.
Die kleinen Jungs haben so viel durchgemacht und dann werden sie von einem ganelensicheren Filter getötet. Mich überkam blanke Wut. Ich wollte zum Filterhersteller fahren und ihm seinen tollen Filter in den Hals stecken.
Diese Nacht schliefen wir beide schlecht.
Am Frühstückstisch saßen wir wortlos nebeneinander.
Da beschloß ich, den kleinen Kämpfern zu Ehren, einen Rubrastamm aufzubauen, denen es besser gehen soll, als den dreien.
Zu der damaligen Zeit war es nicht einfach, Rubras in Deutschland zu bekommen. Ich suchte im Internet und in vielen Foren nach Leuten, die eine kleine Population abgeben würden.
Nach einiger Zeit wurde ich bei einem Züchter in München fündig und bestellte 30 Stück. Sie kamen per Post.
Das Becken hatte ich inzwischen umgerüstet. Einige Röhrchen kamen dazu, ein paar neue Steine und ein vernünftiger Filter hielten Einzug. 30 Rubras sahen in den 20 Liter Becken deutlich besser aus, als nur drei. Nach dem Aussetzen der Rubras saßen wir stundenlang vor dem Cube und freuten uns über den neuen Stamm.
Es ging wieder aufwärts.
Die Kleinen wuselten herum und genossen die Landschaft.
Jeden Tag sahen wir Ihnen zu.
Nach einer Woche zählte ich die Rubras durch. 24. Wo ist denn der Rest? Sicher versteckt. Am nächsten Tag zählte ich wieder. 22 und zwei reglose Rubras auf dem Kies.
Ich rief den Züchter an und fragte ihn, was bei mir schief läuft. Er sagte, es bestünde die Möglichkeit, dass die Rubras die Reise nicht gut überstanden hätten. Vielleicht hatten sie zu viel Kälte abbekommen, denn es war zu dieser Zeit Winter.
Jeden Tag zählte ich die Rubras. Jeden Tag einer weniger. Ich war deprimiert.
Warum wollte das mit den kleinen Kerlen nicht klappen?
Sie starben alle.
Ich war fertig.
Sollte ich nochmal welche kaufen, auf die Gefahr, dass sie wieder nicht überleben?
Ich kontrollierte alle Werte im Becken und ging alles Mögliche mit dem Züchter aus München durch. Eigentlich war alles ok.
Der Züchter beschloss, mir einen Motivationsschub zu geben und bot mir einen weiteren Stamm zu einem sehr fairen Preis an, wenn ich es nochmal probieren wollen würde.
Ich wollte. Letzter Versuch.
Diesmal holten Marion und ich die Rubras persönlich ab. Nach einem netten Smalltalk mit dem Züchter ging der neue Stamm im temperierten Auto auf die Reise. Hoffentlich überlebten die diese Jungs die Fahrt.
Nach drei Tagen in meinem Cube sah ich den ersten Toten.
Oh nein, es ging wieder los.
Ich verzweifelte.
Warum?
Wieder einer wenige am nächsten Tag.
Und wieder.
Bei 22 Stück hörte das Sterben auf.
Jeden Tag zählte ich die Rubras.
22.
22.
22.
Der Bestand blieb konstant.
Nach mehren Wochen die gleiche Anzahl.
Nach einem Jahr immer noch 22.
Sie wollten sich nicht vermehren.
Nach zwei Jahren... 22.
Immerhin, keiner starb mehr.
Nach drei Jahren... 22.
Wir zogen ins neue Haus.
Die Rubras zogen mit und blieben 22.
Nach fünf Jahren wollten wir das Aquarium neu besanden und dekorieren. Neue Steine und ein Ast, schönerer Sand und eine andere Kunstpflanze sollten rein.
Nachdem alle 22 Rubras ins provisorische Einmachglas umgesiedelt waren, gingen wir an die Arbeit. Wenige Stunden später, durften die roten Jungs ins neue Nest.
Ein paar Wochen später rief mich Marion aufgeregt zum Cube.
Sie hatte eine schwangere Rubra gesehen. Welche Freude.
Wir suchten gemeinsam nach der Schwangeren, bis wir sie fanden.
Da war sie. Marion und ich klatschten uns ab.
Endlich.
Nachwuchs.
Wir entdeckten immer wieder neue schwangere Rubras.
Inzwischen ist die Population auf irgendwas über 140 Rubras angewachsen und wir überlegen gerade, ein 60 Liter Cube anzulegen, damit die Racker wieder etwas mehr Platz haben, sich zu vermehren.
Wir sind sehr glücklich, den vier kleinen Rubras aus der Ecosphere zuliebe diesem Stamm ein schönes Leben bieten zu können.
15.11.2015
Sie sind umgezogen.
Das neue Becken hat netto 50 Liter (Brutto 60).
Sie scheinen sich wohlzufühlen.
Wir hoffen, das bleibt so.
Aktuelle Volkszählung: 261 Stück.
Startbestand vor 7 Jahren: 22
November 2016: aktueller Bestand: ca. 400 Stück
Fast 5 Jahre gab es keinerlei Vermehrung.
Dann haben sie losgelegt und bis heute nicht aufgehört.
Die Beckeneinrichtung ist schnell gesagt. Doppelschwammfilter, kleine Pumpe, Düsenrohr, 25 Watt Heizstab. Normaler Garnelenkies in schwarz und ein riesiger Korallenstein mit unzähligen Löchern und Verstecken. LED Licht und für den Sommer ein kleiner Ventilator. Salzgehalt: 17g/ltr
Brutto 60 ltr, netto ca 50 Temperatur ca 24 Grad Kein Wasserwechsel, nur Nachschütten. Ich nehme normales Leitungswasser und lasse es durch einen Haushaltsentkalker laufen. Dann schütte ich einfach nach. Zwei bis drei Mal pro Jahr messe ich den Salzgehalt und korrigiere ggfs.
Füttern nur ganz ganz selten, alle paar Wochen mal so 8-10 Kügelchen von JBL das Novo Prawn. Manchmal aber auch drei Monate nichts.
Wir achten darauf, dass genügend Algen drin sind, dann haben sie genug Futter. Keine Pflanzen, kein anderer Besatz.
Bilder und Text: Horst und Marion Graef